Heute schon Regenwald getankt?

 

Das schwierige Thema Agrosprit

Agroenergie wird durch die Erneuerbare Energien Richtlinie (Renewable Energy Directive, RED) der EU und das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) der Bundesregierung gefördert und als nachhaltige Alternative zu fossilen Brennstoffen propagiert.

Das EEG der deutschen Regierung sieht vor, dass die Stromversorgung aus erneuerbaren Energien bis 2050 auf 80% steigen soll. Der Übergang soll schrittweise erfolgen; der Strom soll dabei nicht mehr aus fossilem Brennstoff, wie z.B. Erdöl gewonnen werden, sondern aus Geothermie, Wasserkraft, solarer Strahlungsenergie, Biomasse und Windenergie. Um dieses Ziel zu erreichen, werden Betreiber von Anlagen zur regenerativen Stromerzeugung gefördert. Sie erhalten, für den Zeitraum von in der Regel 20 Jahren, einen festen Vergütungssatz pro Kilowattstunde. Während bei der Wärmeproduktion biogene Festbrennstoffe (z.B. Holz) und bei der Stromproduktion vor allem biogene Festbrennstoffe und Biogas den Hauptanteil der Agroenergie ausmachen, wird im Verkehrsbereich alles durch flüssige biogene Brennstoffe (z.B. Ethanol oder auch Pflanzenöle) abgedeckt.

Um flüssige Biomasse im Rahmen des EEG offiziell nachhaltig zu produzieren, hat die Bundesregierung die Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung (BioSt-NachV) erlassen. Diese schreibt bestimmte Kriterien vor, die eingehalten werden müssen, damit für Strom eingesetzte Biomasse auch tatsächlich vergütet wird. So darf, laut BioSt-NachV, Biomasse nicht von Flächen mit einem hohen Wert für die biologische Vielfalt stammen. Beispiele für Areale mit hoher biologischer Vielfalt sind Primärwälder und andere bewaldete Flächen (ohne Anzeichen für menschliche Aktivität), ausgewiesene Schutzgebiete und Grünland mit großer biologischer Vielfalt. Insgesamt also Flächen, die vielen Arten einen Lebensraum bieten und deshalb ganz besonders schützenswert sind. Des Weiteren dürfen die entsprechenden Rohstoffe nicht von Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand stammen. So dürfen sowohl Feuchtgebiete (z.B. Torfmoore) als auch kontinuierlich bewaldete Gebiete nicht genutzt werden.

Offizielle Vorschriften zum Schutz der biologischen Vielfalt sind aber nicht nur im EEG zu finden, sondern auch in der RED der EU, die übergeordnete Vorschrift zu erneuerbaren Energien, auf die sich das EEG gründet. Laut RED muss die Europäische Gemeinschaft schon 2020 genau 20% ihres Bruttoendenergieverbrauchs und mindestens 10% ihres Energiebedarfs im Verkehrssektor aus erneuerbaren Energiequellen decken. Mit der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Alternativen sollen Treibhausgasemissionen reduziert und die Auflagen des Kyoto Protokolls der UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change) erfüllt werden. Damit bestimmte Agrokraftstoffe in die, laut RED, die vorgeschriebenen 10% der Energie aus erneuerbaren Quellen im Verkehrssektor einberechnet werden dürfen, müssen festgelegte Nachhaltigkeitskriterien erfüllt werden. So muss die Minderung der Treibhausgasemissionen durch die Verwendung der Agrokraftstoffe mindestens 35% betragen, ab 2017 sogar 50%. Zudem dürfen die Rohstoffe, die zur Herstellung der Agrokraftstoffe verwendet werden, ebenso wie im EEG, nicht auf Flächen gewonnen werden, die einen hohen Wert bezüglich der biologischen Vielfalt aufweisen, also relevant als Lebensraum für viele und seltene Arten sind.

Die Umsetzung dessen ist jedoch problematisch. Viele Flächen dieser Erde sind bereits fest für die Nahrungsmittelproduktion vorgesehen. Ein Anbau von Pflanzen, die für die Energiegewinnung eingesetzt werden, führt auf diesen Flächen immer zu einer Konkurrenz mit Pflanzen, die für die Ernährung von Menschen vorgesehen sind. Der Anbau von Energiepflanzen hat in den vergangenen Jahren bereits mehrfach zu Rekordhöhen bei den Nahrungsmittelpreisen geführt. Der Food Price Index (siehe Abb. 1) spiegelt die Entwicklung der Preise für Nahrungsmittel auf dem Weltmarkt wieder. Ab 2004 ist ein genereller Anstieg der Lebensmittelpreise zu erkennen. Dieser ist hauptsächlich auf die steigende Nachfrage nach Nahrungspflanzen zur Erzeugung von Agroenergie rückzuführen. Steigende Preise für Lebensmittel treffen die ärmsten Menschen dieser Welt am härtesten. Sie geben im Verhältnis den größten Teil ihres Einkommens für Essen aus und sind von steigenden Nahrungsmittelpreisen unmittelbar in ihrer Existenz bedroht.

Abb. 1: Jährlicher Food Price Index der Nahrungsmittelgruppen Zucker, Öle und Getreide von 1990 bis 2013. Datenquelle: FAO (2013)
 

Alternativ zu den bereits vorhandenen Ackerbauflächen, können natürlich neue Anbauflächen erschlossen werden. Jedoch müssen hierfür wieder Wälder gerodet, Moore entwässert und Torfböden bearbeitet werden. Selbst wenn „nur“ auf Sekundärwälder oder – zumindest augenscheinlich – verfügbares Grasland zurückgegriffen wird, entstehen dennoch fast immer Konflikte mit Ureinwohnern, Kleinbauern und lokalen Gemeinden, die das Land bereits seit Generationen nutzen. Ganz zu schweigen von den ökologischen Auswirkungen, die Landnutzung auf ebensolchen Flächen hat. Denn selbst degradierte Wälder bieten noch vielen verschiedenen Arten Lebensraum. Ihre Umwandlung in Plantagen wird schwerwiegende Konsequenzen für die Artenvielfalt haben.

Als letzte Möglichkeit bleibt also nur, besonders ertragreiche Pflanzen für die Herstellung von Agrokraftstoffen zu verwenden, so dass ein hoher Ertrag auf wenig Anbaufläche möglich wird. Agrokraftstoffe unterteilen sich in Alkohole oder Öle. Der Alkohol Ethanol wird aus zucker- oder stärkehaltigen Pflanzen, wie zum Beispiel Zuckerrohr, Mais oder Getreide hergestellt. Ethanol ist als Treibstoff nicht optimal, da es dafür bekannt ist Automotoren anzugreifen und zu verschleißen. Die Alternative, Pflanzenöle, zum Beispiel hergestellt aus Raps, Soja, Sonnenblumenkernen oder Ölpalmen, lassen sich dafür meist nicht direkt verwenden. Sie werden größtenteils zu Agrodiesel weiterverarbeitet. Nun gilt aber für beide Agrokraftstoffe wieder das bereits genannte Flächenproblem. Das Potenzial für den Anbau von Agrodiesel ist in Deutschland daher gering: Mit dem in Deutschland angebauten Raps können maximal fünf, realistischer eher ein bis zwei Prozent des Dieselkraftstoffs ersetzt werden. Und dafür wäre bereits die Hälfte der gesamten Ackerfläche im Land nötig. Also müssen Alternativen gefunden werden; gesucht werden diese vor allem international. Keine Pflanze ist dafür so in den Fokus geraten wie die Ölpalme. Mit dem höchsten Ölertrag pro Hektar Anbaufläche scheint diese auf den ersten Blick eine gute Option zu sein.

Durch den hohen Bedarf nach Agrotreibstoffen, steigt die Nachfrage nach Ölpalmen auch tatsächlich stetig an. Wenn die geplanten Regelungen im Agrokraftstoffbereich so umgesetzt werden, wie geplant, müsste aber allein zur Deckung des Palmölbedarfs der EU zusätzlich eine 4 Millionen Hektar große Fläche mit Ölpalmen bepflanzt werden. Dies ist fast ein Viertel der 2011 existierenden weltweiten Anbauflächen für Palmöl. Ölpalmen wachsen leider nur in tropischem Klima. Daher müssen für ihren Anbau überwiegend Regenwälder weichen. Vor allem auf die Anbauländer für Ölpalmen, wie z.B. Indonesien, Malaysia und Kolumbien hat der Palmölboom erhebliche Auswirkungen auf die Natur und die Menschen vor Ort.

Als ein Beispiel ist hier der Landraub zu nennen. Laut der International Land Coalition ist der Anbau von Agroenergiepflanzen für über 44% des Landraubs im Jahr 2009 verantwortlich. Die Übernahme von den Gebieten der einheimischen Bevölkerung bedroht massiv ihre Existenz und hat auch die Zerstörung ihrer sozialen Netzwerke zur Folge. Allein seit 2001 wurden schätzungsweise mehrere Hundert Millionen Hektar Land an – meist ausländische – Investoren verkauft oder verliehen. Dies geschieht im Großteil der Fälle ohne Zustimmung der lokalen Bevölkerung und oftmals unter dubiosen Vorgehensweisen seitens der Investoren und einzelner Politiker des Landes. Im Zuge solcher Landraube werden Familien vertrieben, Häuser und Felder abgebrannt und sogar Menschen getötet. Damit sind Gewalt und Kriminalität ein großer und entscheidender Teil dieser zunehmenden Agrar-Konflikte. Wie bereits erwähnt ist die Nahrungsmittel- und Flächennutzungskonkurrenz ein weiteres großes Problem bei der Anlage von Plantagen. Für den Anbau von Agroenergie, egal ob es sich um ausländische Palmöl-, Zuckerrohr-, Sojaplantagen oder den heimischen Rapsanbau handelt, wird immer eine enorm große Fläche benötigt (siehe Abb.2). Diese steht in starker Konkurrenz zum Flächenbedarf, der für die Erzeugung von Nahrungs- und Futtermitteln benötigt wird. Wären die Flächen Land, die 2008 für die Gewinnung von Agrokraftstoffen für die EU verwendet wurden, zum Anbau von Nahrungsmitteln genutzt worden, hätte man ein Jahr lang 127 Millionen Menschen ernähren können. Das sind etwa 1,5-mal so viele Menschen, wie in Deutschland leben.

Abb. 2: Entwicklung der genutzten Flächen für Energiepflanzen in Deutschland. Quelle: Positionspapier SAVE Wildlife Conservation Fund
 

Weil alle Pflanzen, die für Agrokraftstoffe genutzt werden können, als Monokulturen angebaut werden, ist ein Anstieg des Agrarchemikalieneinsatzes unumgänglich. Durch die erhöhte Nutzung und Überlastung der Böden steigt der weltweite Einsatz von Düngemitteln. Da Monokulturen anfällig für Schädlingsbefall sind, werden normalerweise hochgradig gesundheits- und umweltschädliche Pestizide verwendet. Millionen von Vögeln, Insekten und Säugetieren fallen der Agrarindustrie jährlich zum Opfer. Die Böden werden ausgelaugt und degradiert, bis sie als wertlose Ödnis zurückgelassen werden. Dies alles geschieht meist unter der Aufsicht von Institutionen, die sich selber als die Verantwortlichen für „Nachhaltigkeit“ bezeichnen, wie z.B. der „Roundtable on Sustainable Palm Oil“ (RSPO).

Auch andere Zertifizierungssysteme sind mit deutlichen Mängeln behaftet. Zum einen werden Zertifikate für den Verbraucher immer undurchsichtiger, da es bereits eine große Fülle davon gibt. Zum anderen werden Zertifikate oft missbraucht oder nur eingeführt, um ein Produkt als umweltfreundlich darzustellen, obwohl es das gar nicht ist. So werden Zertifizierungssysteme von den großen Firmen ausgenutzt und zum „Greenwashing“ ihrer Produkte verwendet. Auch das deutsche REDcert Zertifizierungssystem, sowie das International Sustainability & Carbon Certification Siegel sind kritisch zu sehen. Gründer und Mitglieder solcher Zertifikate sind zum überwiegenden Teil Akteure aus der Wirtschaft, deren vordergründiges Interesse sicherlich nicht der Umweltschutz ist. Kontrollen sind zwar vorgesehen, werden aber oft nur nach zeitlich langen Abständen durchgeführt und bleiben bei Verstößen ohne Konsequenzen. Kontrolleure werden für gewöhnlich von den Firmen bezahlt, die sie kontrollieren; dies gilt besonders für den RSPO. Die Standards der vorhandenen Siegel sind zu schwach und werden trotzdem nicht einmal eingehalten.

Agrokraftstoffe werden als „ökologischer“ oder „nachhaltiger“ propagiert. Fakt ist, dass durch den Anbau von Pflanzen für die Erzeugung von Agrokraftstoffen wichtige Kohlenstoffsenken unseres Planeten (Regenwälder, Torf(moor)gebiete, Grasland) zerstört werden. Das in den Senken über Jahrhunderte abgelagerte und gespeicherte Kohlendioxid (CO2) wird dabei wieder freigesetzt und gelangt in die Atmosphäre. Gleichzeitig fehlen nun diese Senken, um CO2 aus der Atmosphäre langfristig zu binden. Agrodiesel aus Raps-, Palm-, und Sojaöl zieht eine schlechtere Klimabilanz nach sich als fossile Energie. Das belegt eine Untersuchung zum Einsatz von Agrosprit im Verkehrssektor bis 2020, durchgeführt vom Londoner Institut für europäische Umweltpolitik (IEEP). Durch Zerstörung von Regenwald und Entwässerung von Torfböden verursacht die Energiegewinnung aus Palmöl deutlich höhere CO2-Emissionen als wenn die gleiche Energiemenge aus Erdöl gewonnen wird. Der Einsatz von Lebensmittelpflanzen zur Deckung des Kraftstoffbedarfs ist keine nachhaltige Lösung. Hier muss auf eine andere Alternative zurückgegriffen sowie auf die Anlage neuer Monokulturen, vor allem in Regenwaldgebieten, ab sofort komplett verzichtet werden.